Seit dem 26.03. haben wir nun erschreckende Gewissheit. Das EU Parlament hat dem Entwurf der EU-Kommission zur Urheberrechtsnovelle geschlossen zugestimmt. Eine vorangehende Abstimmung, ob Änderungen am Text vorgenommen – und somit ggfs. Artikel 13 aus der Richtlinie gestrichen werden könnte – wurde knapp abgelehnt. Gerade einmal 5 Stimmen Unterschied sorgten am Ende dafür, dass die Debatte ohne Änderungen abgeschlossen wurde. Und das Ärgerliche: Hätten alle Abgeordneten des Europäischen Parlamentes die Frage richtig verstanden, wäre einem Antrag auf Änderungen vermutlich zugestimmt worden. Genügend Korrekturanträge zur Abstimmung gingen nämlich im Nachgang ein und wurden auch zugelassen.
Was geschah in den letzten Wochen?
In den vergangen Wochen passierte vor allem unter Aktivisten so einiges. Nachdem die CDU Gegner der Urheberrechtsreform in der niedergeschriebenen Version als Bots bezeichnet hatte, stieg die Ablehnung gegenüber der derzeitig regierenden Volksvertreter rapide an. Rechtsanwalt und YouTuber Christian Solmecke reagierte in zahlreichen Videos auf die Vorwürfe und versuchte auch die technischen und rechtlichen Fragen der Debatte zu beleuchten. Auch viele andere YouTuber, Künstler und Internet Veteranen wie zum Beispiel Tim Berners-Lee (Erfinder von HTML und Begründer des WWW)
The #CopyrightDirective would hurt small-scale creatives and startups who would be unable to comply with a regulatory model designed for the era of the printing press. #EU reps must stand up for our digital future #SaveYourInternet https://t.co/tGxpRoWmeB
— Tim Berners-Lee (@timberners_lee) November 30, 2018
und Emmet Shear (CEO Twitch.tv) sprachen sich gegen die Novelle aus. Auch Whistleblower und Held einer digitalen Generation Edward Snowden, sprach das Thema (auf Deutsch!) an. Ganz klar sprach er sich hier vor allem gegen die CDU aus und unterstützte den in der Protestbewegung sehr prominent gewordenen Hashtag #nieMehrCDU.
Vergiss nie, was sie hier gemacht haben. Da die @CDU_CSU_EP gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr @CDU_CSU_EP stimmen. #nieMehrCDU https://t.co/fyGLXfGw3n
— Edward Snowden (@Snowden) March 26, 2019
Am 26. März stimmte das EU Parlament dann geschlossen für Artikel die Reform ab. Was zurückbleibt ist ein Gefühl von Leere und Hilflosigkeit. Sollten da oben an der Spitze nicht eigentlich die Leute sitzen, die das Beste für ihr Volk wollen? Stattdessen machte es in der letzten Zeit eher den Eindruck, als würden gerade diese Entscheider vor allem in ihre eigene Tasche wirtschaften. So wurden Lobbyismus Geschichten bekannt, über deren Umfang man sich in diesem Ausmaß eigentlich gar keine Gedanken macht.
So erfuhr man im ersten Schritt von Beeinflussung der Abgeordneten in Form von exklusiven Parties im Vorfeld der Abstimmung, Presseverlage drohten gar mit schlechter Berichterstattung zum Nachteil der Abgeordneten.
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Der Höhepunkt der für mich schon an Korruption grenzenden Methoden war allerdings, dass die GroKo offenbar zu Gunsten der Gas Pipeline NordStream2 einen Deal mit den Franzosen gemacht haben. Demnach sollte Deutschland auf zB die 20 Millionen Euro Grenze als Ausnahme für Startups in Bezug auf Artikel 13 verzichten und damit würde dann Frankreich beim Bau der Pipeline zustimmen.
Exklusiv:
Warum Altmaier beim Urheberrecht auf 20 Mio-Ausnahme für Start-ups verzichtete und was das Gas aus Russland damit zu tun hat. #CopyrightDirective https://t.co/2ia3AyrEXM #FAZedition via @faznet— Hendrik Wieduwilt (@hwieduwilt) March 25, 2019
Die Debatte
Während der Plenarsitzung im EU Parlament erschreckte mich vor allem der Umgang mit Artikel 13 Gegnern. So wurde Julia Reda während ihrer Rede von mehrmals unterbrochen. Daniel Caspary versuchte seine Äußerungen zu “bezahlten Demonstranten” zu relativieren, blamierte sich aber bei dem Versuch kläglich.
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Bei der Abstimmung lag die pure Verwirrung bei den Abgeordneten förmlich in der Luft. Das war so deutlich, dass EU Parlamentspräsident Antonio Tajani mehrmals nachfragte, ob den Abgeordneten überhaupt klar sei, wofür sie abstimmen.
Spoiler Alert: War es nicht, denn wären alle Stimmen korrekt abgegeben worden, hätte man über Änderungen in der Richtlinie gesprochen und den fragwürdigen Artikel 13 womöglich gestrichen.
Jetzt bitte alle Nerven behalten! Die korrigierten Abstimmungen sind da. Hätten alle KollegInnen und Kollegen heute RICHTIG abgestimmt, hätte es eine Mehrheit dafür gegeben, über Änderungen an #Artikel13 & #Artikel11 vorzunehmen. 😖😖😖 #Copyright #gehtwaehlen pic.twitter.com/1iIPRxg4mr
— Tiemo Wölken🇪🇺 (@woelken) March 26, 2019
Nach der Entscheidung
Ich bin entsetzt. Mich macht es zu gleichen Teilen wütend und auch traurig, mit welcher Arroganz und Ignoranz man hier die Zukunft einer ganzen Generation, die sich gerade mal im Aufbruch befindet verbaut. Da oben entscheiden Menschen, die sich vielleicht peripher mit der Thematik auseinandergesetzt haben aber sich bei weitem nicht damit auskennen. Axel Voss (MdEP, CDU), der Berichterstatter zur Urheberrechtsnovelle hat nicht nur einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt, mit welcher gefährlichen Ahnungslosigkeit hier vorgegangen wird.
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Doch auch an anderen Stellen wurde die ignorante Arroganz der Alt-Politiker deutlich. So debattierte ein erstaunlich souveräner Felix von der Laden bei Maybrit Illner mit dem doch sehr festgefahrenen Journalisten Stefan Aust und dem CDU Generalsekretär Paul Ziemiak.
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Einen abschließenden Hammer gibt es dann aber doch noch:
Ratet mal, wer die Entscheidung im Rat letztendlich zu fällen hat? Ja richtig! Die Agrarministerin der CDU Julia Klöckner. Ich finde es wirklich un-fass-bar wie so eine Entscheidung einfach so abgegeben werden kann. Dass SPD Spitzenkandidatin mit diesem Skandal nicht Verbindung gebracht werden möchte, kann ich nachvollziehen, die Methoden mit denen hier vorgegangen wird, allerdings nicht. Es passt nicht in meine Vorstellung von sachbezogenen und qualifizierten Entscheidungen, wenn Dinge wie diese in unseren Parlamenten geschehen. Lasst ihr auch euren Friseur über das Ergebnis eurer Darmkrebsvorsorgeuntersuchung debattieren? Vielleicht. Aber legt ihr Wert auf das Ergebnis?
Katarina Barley stellte sich mit der größten Petition im Rahmen einer EU Debatte, öffentlichkeitswirksam zur Schau. Als Gegnerin und Hoffnungsträgerin einer digitalen Nation. Jedoch kann man hier nur das Bild des Dr. Jekyll und Mr. Hyde von ihr bekommen. So ist sie nämlich als Justizministerin im Rat sehr wohl für die Novelle und wird sehr wahrscheinlich dafür stimmen.
Was können wir tun?
Derzeitig gilt es wohl für sehr sicher, dass wir mit den Auswirkungen der Urheberrechtsreform zurechtkommen müssen. Wir sollten aber unsere Stimmen diesbezüglich weiterhin nicht herunterfahren. Wir müssen weiterhin laut sein und das Thema in Erinnerung halten und letzendlich am 26. Mai die Verantwortlichen für ihre törichte Entscheidung bestrafen. Denn dann sind EU-Wahlen.
Der Uploadfilter der Copyright Debatte ist nur der Anfang. Bereits jetzt ist die Rede von Filtertechnologie in Bezug auf Terrorismus. Darüber hinaus steht uns mit der E-Privacy Verordnung bereits der nächste existenzbedrohende Gesetzesvorschlag in’s Haus.